- Episode:
- 3
- Version:
- V1.0
- Veröffentlicht am:
- Länge:
- 10100 Wörter
- Lesedauer:
- 48 Minuten
Trügerischer Schein
Etwas schüttelte mich an meiner Schulter. Die Luft war eiskalt und schnitt durch meine Lunge, während mein Körper in schweren Decken eingehüllt war, die mir die Bewegung raubten.
Als ich einschlief, war noch Sommer, dachte ich träge. Hochsommer sogar. Der Tag war bereits unerträglich heiß, und auch ein kurzer abendlicher Regenschauer wollte keine Abkühlung bringen. Ich hatte das Fenster weit geöffnet und lag in Shorts auf meinem Bett, anders war an Schlafen nicht zu denken. Nun war es plötzlich kalt. Mein Gesäß und mein Rücken schmerzten von einer unbequemen Holzbank, auf der ich schon vor längerer Zeit Platz genommen haben musste.
„Domnule“, sprach eine tiefe Männerstimme. „Wacht auf, Domnule Dian. Wir sind angekommen.“
Ich schlug meine Augen auf und sah mich um. Es war Nacht. Der Vollmond stand hoch am Himmel und beleuchtete eine triste, bergige, schneebedeckte Landschaft. Ich saß in einer Pferdekutsche, eingepackt in dicke Felle, die vom Reif bereits hellweiß schimmerten. Das Pferd vor der Kutsche dampfte in der Kälte, als es von einem offenbar langen Trab abkühlte.
Der Kutscher stieg von seinem Kutschbock. Er trug einen dicken Pelzmantel, der ihn vor der Kälte schützte. Seine Fellmütze war tief über seinen Kopf gezogen und ebenso weiß bereift wie sein Vollbart. Es war nur noch seine von der Natur gegerbte Augenpartie zu sehen.
Unsere Kutsche stand neben einem alten, großen Haus. Das Erdgeschoss war aus groben Bruchsteinen gemauert, darauf saß eine weitere Etage aus dunklem Holz und ein Dachgeschoss. Die Schlagläden waren geschlossen, doch durch ein paar Ritzen loderte das warme Licht eines Kaminfeuers. Ein gedämpftes Gewirr von Stimmen drang aus dem Innenraum.
In der Ferne heulte ein Wolf. Das Echo der Berge ließ seinen Gesang noch einsamer klingen.
„Domnule, bitte weckt Doamnă Miray“, drängelte der Mann. „Im Gasthaus könnt Ihr Euch aufwärmen.“
Auf dem Platz mir gegenüber sah ich ein weiteres Bündel Tierfelle, unter dem eine Person zu liegen schien. Ich schüttelte sie vorsichtig.
„Was ist los?“, brummte eine verschlafene Stimme.
„Ein neues Abenteuer, Miray. Komm rein, hier draußen ist es viel zu kalt.“
Benommen rieb sie sich die Augen und begann träge, sich aus den Fellen zu schälen. Ich stieg aus und ging um die Kutsche herum, um ihr herauszuhelfen.
„Trägst du mich rein?“, murmelte sie und klang, als würde sie gleich wieder wegdösen.
Ich lachte. „Wozu hast du zwei Füße?“
Sie sah an sich herab, als hätte sie ihre Beine tatsächlich erst jetzt bemerkt, und schaukelte sie ein wenig hin und her. Dann sah sie mich an. „Ach, du bist es, Dian.“
„Du hast wirklich tief geschlafen, nicht wahr?“
Sie nickte langsam, stand auf, nahm meine Hand und stieg aus. Der Mann hatte zwischenzeitlich unsere Koffer geholt und ging voraus. Wir folgten ihm in das Gasthaus.
„Florica!“, rief der Mann laut. „Florica, komm her!“
Er nahm seine dicke Fellmütze ab und strich sich durch sein schütteres Haar.
„Ihr habt die beiden Gästezimmer unterm Dach“, erklärte er uns, „das linke für den Domnule und das rechte für die Doamnă. Ich werde Euer Gepäck hinaufbringen.“
Die Tür zum Schankraum öffnete sich und eine junge Frau trat heraus. Sie trug eine helle Bluse, deren Ärmel leicht hochgekrempelt waren, und darüber eine Schürze in einem dezenten Braunton, die neben gestickten floralen Mustern auch ein paar Flecken zierte. Ihr längliches Gesicht zeigte Spuren eines arbeitsreichen Alltags, trotzdem war sie attraktiv. Sie trug langes rotbraunes Haar, das sie zu einem Zopf gebunden hatte. Ein paar lockige Strähnchen fielen frech in ihr Gesicht.
Aufmerksam sah sie den Mann an, der sie gerufen hatte.
„Kümmere dich um unsere neuen Gäste, Florica“, befahl er. „Sie sind durchgefroren, gib ihnen etwas zu trinken und eine gute warme Mahlzeit.“
Sie nickte und warf einen flüchtigen Blick auf Miray, die immer noch schlaftrunken neben der Tür stand. Als sie mich bemerkte, lächelte sie schüchtern und wurde für einen Moment rot. Unbewusst zog sie sich ihre Schürze zurecht und ordnete sich flüchtig das Haar.
„Ja, Alexandru!“, antwortete sie knapp, ohne den Blick von mir zu wenden. Dann führte sie uns in den Schankraum und brachte uns an einen freien Tisch in der Nähe eines großen Ofens, in dem ein kräftiges und wärmendes Feuer loderte.
Zunächst war ich beeindruckt von dem gastfreundlichen Empfang, der uns bereitet wurde. Doch als ich genauer hinsah, bröckelte die Fassade. Die anderen Gäste im Schankraum warfen uns einen argwöhnischen Blick zu, fingen an zu tuscheln oder verstummten ganz.
Florica ließ sich nichts dergleichen anmerken. Nachdem wir Platz genommen hatten, verschwand sie in der Küche und kehrte wenig später mit zwei Bechern und zwei dampfenden Schalen zurück. Sie hatte sich eine frische Schürze angezogen und ihren Zopf neu gebunden. Die Ärmel reichten jetzt bis zu ihren Handgelenken, dafür hatten sich die beiden obersten Knöpfe ihrer Bluse wie von selbst geöffnet.
„Diese heiße Ciorbă de Burtă wird Euch guttun“, sagte sie und servierte uns eine dampfende, milchig gelbe Brühe, die aromatisch duftete. „Bei dieser Kälte geht nichts über eine kräftige Suppe mit frischen Kutteln, nicht wahr?“
Sie beugte sich tief über den Tisch, als sie mir meinen Becher hinstellte, und blickte mir scheu in die Augen. „Das warme Met wird den Frost rasch aus Euren Gliedern vertreiben. Es sind auch noch Sarmale da, die ich Euch sogleich aufwärmen werde.“
Wortlos starrte sie mich weiter an. Dann blickte sie rasch zur Seite und ging zurück zum Tresen.
Miray grinste breit. „Wie es aussieht, hast du einen ziemlichen Eindruck bei ihr gemacht.“
„Hier sieht man sicher nicht oft Fremde“, sagte ich verlegen und zuckte mit den Schultern. Ich nahm einen tiefen Schluck vom Met und blickte auf die Vorspeise. Noch nie zuvor hatte ich eine Kuttelsuppe probiert. Sie schmeckte cremig, intensiv nach Knoblauch und leicht scharf. Und tatsächlich spürte ich, wie sich vom Bauch aus eine wohlige Wärme in meinem ganzen Körper ausbreitete.
Miray aß ebenfalls ein paar Löffel von der Suppe. Dann begann sie, ihre Taschen zu durchsuchen, doch sie waren leer.
„Hast du einen Hinweis bei dir, warum wir hier sind?“, fragte sie mich.
Ich klopfte meine Kleidung ab und fand einen Gegenstand in der Innentasche meiner Weste. Es war ein Brief, geschrieben auf altmodischem dicken Büttenpapier. Der Absender hatte ihn sorgsam gefaltet und mit einem dicken roten Wachssiegel verschlossen, das nun gebrochen war. Eselsohren und Flecke verrieten, dass das Dokument unter der langen Reise gelitten hatte.
Erfreut wedelte ich mit der Nachricht. Dann faltete ich sie auseinander und las Miray leise den Inhalt vor.
An Doamnă Miray und Domnule Dian,
Euer Ruf als fähige Ermittler reicht weit über die Grenzen dieses Landes hinaus und ist auch an meine Ohren gedrungen. Es gibt gewisse Umstände, deren Natur ich an dieser Stelle nicht im Detail darlegen möchte, welche es jedoch unumgänglich machen, dass ich Euch in mein bescheidenes Anwesen, der ehrwürdigen Burg Castelul Întunecat, einlade.
Eure Hilfe ist von höchster Dringlichkeit, denn manche Wahrheiten können nur mit dem Verstande ans Licht gebracht werden. Ich bin der festen Überzeugung, dass allein Ihr der Aufgabe gewachsen seid, dieser Angelegenheit mit einem ungetrübten Verstand und der gebotenen Diskretion zu begegnen.
Ich ersuche Euch, dieser Einladung ohne Zögern zu folgen und den beschwerlichen Weg zu mir anzutreten. Lasst Euch von den Gerüchten, die im Dorf kursieren mögen, nicht beirren. Der Schein trügt oft, und die Wahrheit liegt jenseits dessen, was das Auge zu erkennen vermag. Ihr werdet bald verstehen, warum gerade Ihr so dringend benötigt werdet.
In Erwartung Eurer baldigen Ankunft,
Graf Bezos
Ich gab Miray den Brief. Sie überflog ihn und drehte ihn einmal in den Händen, als würde sie auf der Rückseite weiteren Text erwarten. Dann gab sie ihn mir zurück. „Viel weiter bringt uns das nicht“, stellte sie fest. „Lass uns dem Grafen morgen einen Besuch abstatten. Dort erfahren wir hoffentlich, was unsere Aufgabe ist.“
Florica kam an unseren Tisch und servierte uns mehrere Kohlrouladen und einen Maisbrei als Beilage, der so gelb war, dass er zu leuchten schien. Sie wünschte uns einen guten Appetit und ergänzte, während sie zu mir blickte: „Ich finde, Sarmale schmecken aufgewärmt noch hübscher.“ Sie stutzte. „Äh, besser. Aufgewärmt schmecken sie besser.“
Miray räusperte sich. „Florica, wäre es möglich, dass der Wirt uns morgen mit der Kutsche zu einer Verabredung bringt?“
„Alexandru? Möglich ist das wohl, Doamnă“, antwortete Florica, „aber Stânca Întunecată ist ein kleines Dorf. Ihr könnt zu Fuß alles erreichen, was Ihr braucht.“
„Wie weit ist es bis zur Castelul Întunecat?“
Ein Holzscheit knackte laut im Ofen und ließ die Flammen auflodern. Floricas Schatten wurde für einen Augenblick intensiver und tanzte geisterhaft an der Wand. Ihre rosige Gesichtsfarbe verschwand vollständig aus ihrem Gesicht. Erschrocken starrte sie Miray an.
„Zur Finsteren Burg? Beim Allmächtigen, was wollt Ihr dort?“
„Wir haben eine Einladung vom Grafen“, erklärte ich und hielt den Brief hoch.
Sie wich zurück, als ob das Papier sie verbrennen würde. Dann sah sie mich entsetzt an und versuchte krampfhaft, ihre Fassung zu behalten.
„Kein Mensch bei klarem Verstand würde Euch auch nur in die Nähe der Burg bringen“, raunte sie schließlich. „Und Ihr solltet selbst nicht dorthin gehen! Verbrennt den Brief einfach! Alexandru wird Euch morgen zurück in die Stadt fahren.“
Miray schüttelte ihren Kopf. „Ich befürchte, dass wir die Einladung des Grafen nicht ausschlagen können.“
Sie hatte recht. Die Aufgabe, die an diesem Ort auf uns wartete, war offensichtlich. Wir würden nicht aufwachen können, bevor wir dem Grafen den gewünschten Besuch abgestattet und uns seine Bitte angehört hatten.
Florica nickte stumm und ging zur Theke. Sie beugte sich zum Wirt und flüsterte ihm etwas zu. Er erstarrte. Ein Bierkrug rutschte ihm aus der Hand und zerschellte auf dem Boden. Er fluchte leise. Dann sah er zu unserem Tisch, zog sich seine Weste zurecht und kam mit entschlossenen Schritten auf uns zu.
„Ihr wollt also zur Castelul Întunecat?“, fragte er ungehalten, seine Worte waren wie Donner. Er erschrak über die Kraft seiner Stimme und blickte verstohlen um sich. Beinahe flüsternd fuhr er fort: „Ihr müsst verrückt sein. Aber gut, so sei es. Ich fahre Euch morgen bis zum Fuße des Berges, doch den Aufstieg zur Burg müsst Ihr selbst bestreiten. Er ist tückisch, besonders im Winter, und wer weiß, was Euch auf Eurem Marsch dorthin begegnen wird. Gott stehe Euch bei.“
Mit diesen Worten drehte er sich um und kehrte zur Theke zurück.
„Na, das verspricht ja, ein spannendes Abenteuer zu werden“, murmelte Miray und sah ihm hinterher.
Die Zeit verging und der Schankraum leerte sich allmählich. Als wir uns aufgewärmt und die üppigen Portionen aufgegessen hatten, kam Florica und brachte drei Tassen an den Tisch.
„Das ist ein heißer Gewürzwein“, erklärte sie, „von der Wirtin nach einem alten Familienrezept zubereitet. Ein letzter Trunk, wunderbar für einen guten Schlaf. Er geht auf mich.“
Mit einem schiefen Lächeln stellte sie die Gläser ab, setzte sich zu uns und stieß mit uns an. Dann deutete sie auf die leergegessenen Teller und Schüsseln. „Haben Euch die Sarmale gut geschmeckt, Domnule Dian?“
„Sie waren köstlich!“, antwortete ich. „Hast du sie zubereitet?“
Sie lachte kurz und schüttelte den Kopf. „Nein, das war Alina, die Frau vom Wirt. Sie kann nicht mehr gut gehen und ist deshalb im Schankraum keine große Hilfe, aber sie ist eine hervorragende Köchin.“
„Dafür bist du eine fantastische Kellnerin! Es schien dir keine Mühe zu machen, dass so viel los war.“
Ihre Augen leuchteten auf, als wäre gerade ein Feuer in ihr entzündet worden. „Es ist schön, dass Euch das aufgefallen ist!“, antwortete sie verlegen. „Ich gebe mir wirklich Mühe, damit Ihr Euch hier wohlfühlt.“
Ich nickte. „Man merkt, dass dir nicht nur das leibliche Wohl deiner Gäste wichtig ist.“
„Vor allem der männlichen“, brummte Miray leise.
Florica nippte an ihrem Wein, aber ihr Blick ruhte lauernd auf mir. Dann lehnte sie sich in meine Richtung und seufzte leise. „Selten habe ich jemanden wie Euch getroffen! So aufmerksam und fein.“ Abwesend drehte ihre Tasse auf dem Tisch hin und her. „Das gefällt mir. Es gefällt mir sogar sehr!“
Miray räusperte sich. „Dian, wir müssen uns noch auf den Besuch beim Grafen vorbereiten, bevor wir…“
„Ach ja, Eure Reise zur Burg!“, fiel Florica ihr ins Wort. „Seid Ihr immer noch entschlossen, dem Grafen einen Besuch abzustatten? Es wäre so schade um Euch, wenn Euch etwas zustieße!“ Sie umklammerte meine Hand, erst sanft, dann gruben sich ihre Fingernägel in meine Haut. Ihre Stimme schnurrte wie eine Katze auf dem Schoß. „Reist doch einfach morgen wieder ab. Und heute verbringt Ihr noch eine schöne Nacht im Gasthof… Bei mir.“
Miray legte ihre Hände auf den Tisch und stützte sich langsam darauf auf. „Wie es aussieht, bin ich hier überflüssig“, sagte sie mit einem erzwungenen Lächeln. „Eine gute Nacht euch beiden. Viel Spaß mit deiner neuen Freundin, Dian.“
Sie stand auf und verließ den Schankraum mit zielstrebigen Schritten. Doch die kontrollierte, fast schon verkrampfte Lässigkeit, mit der sie sich bewegte, verriet ihre wahren Gefühle.
Florica starrte mich entsetzt an. „Es tut mir leid, Domnule Dian“, sagte sie mit heiserer Stimme und senkte ihren Blick. „Ich wusste nicht, dass Ihr und die Doamnă…“
Ich sah Miray hinterher, wie sie die Tür hinter sich schloss, ohne noch einmal zurückzublicken.
„Was, Miray?“, fragte ich verblüfft. „Meinst du wirklich?“
Florica seufzte leise. „Wenn Ihr klug seid, Domnule, dann solltet Ihr ihr besser folgen, bevor es zu spät ist.“
Ich begriff, dass Florica recht hatte. Als ich aufstand und sie ansah, lag ihr Blick in der Ferne, leer, so als wäre sie gerade aus einem schönen Traum aufgewacht. „Nun geht schon!“, sagte sie schließlich und kehrte mich mit ihren Händen hinaus.
Der Holzofen im Schankraum spendete zwar eine wohlige Wärme, doch er verzehrte auch den Sauerstoff und hinterließ eine abgestandene, stickige Atmosphäre. Als ich den Flur erreichte, atmete ich erst einmal tief die eiskalte, frische Luft ein. Dann ging ich langsam die steile Holztreppe hinauf und dachte währenddessen darüber nach, wie ich das Gespräch am besten beginnen würde.
Als ich ihre Zimmertür erreichte, hatte ich immer noch keinen Plan. Ich ließ es darauf ankommen und klopfte zaghaft an. „Miray?“, fragte ich leise. „Können wir reden?“
Nichts regte sich. Hatte sie ihr Zimmer gar nicht aufgesucht, sondern das Haus verlassen? Sie war zweifellos in der Lage, gut auf sich selbst aufzupassen, aber draußen herrschte Dunkelheit und eisige Kälte. Und dann waren da noch die Wölfe, deren unheimliches Heulen man in der Ferne hören konnte.
Ich bekam Angst um sie und wollte die Treppe hinuntereilen, um sie zu suchen, als die Tür sich einen Spalt weit öffnete und Miray mich ansah.
„Was willst du?“, fragte sie leise.
„Lass mich rein, bitte.“
Sie öffnete die Tür und wieß mich mit einer übertrieben einladenden Geste in ihr Zimmer. Dort sah sie mich ungeduldig an.
„Was war denn eben los?“, fragte ich sie vorsichtig.
„Nichts, wieso?“ Sie zuckte unschuldig mit den Schultern, doch ihre Anspannung war deutlich zu spüren. „Geh wieder runter zu Florica! Sie hat alle Zeit für dich, wenn das Gasthaus schließt. Wir sehen uns morgen früh.“
Überrascht starrte ich Miray an. Ich konnte kaum fassen, dass Floricas Vermutung stimmte.
„Sag mal, kann es sein, dass du eifersüchtig bist?“, fragte ich frei heraus. „Da kann ich dich beruhigen, Miray. Florica ist nett, aber sie ist nicht die Frau meiner Träume. Das bist du!“
„Ich?“, rief sie verblüfft. „Du kennst mich doch nur aus deinen Träumen! Was weißt du schon von der echten Miray?“
„Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie sich so sehr von der Traum-Miray unterscheidet, die gerade vor mir steht.“
Sie sah mich wortlos an. Ihr Blick sprang nervös hin und her, bis eine Träne über ihr Gesicht lief. Ich seufzte tief und umarmte sie. Sie zögerte einen Moment, bis auch sie ihre Arme um mich legte und mich fest an sich drückte.
„Das ist alles nicht fair“, murmelte sie leise.
Ich strich eine Strähne aus ihrem Gesicht. „Was ist nicht fair, Miray?“
Sie schluckte. „Ach, nichts. Vergiss es!“
Zögernd ließ sie mich los und sah mich verlegen an. Dann schlich ein breites Grinsen über ihr Gesicht, bevor sie mich mit einem Hüftwurf rücklings auf ihr Bett beförderte und auf meinen Schoß sprang. Ihre Augen funkelten, als sie sich ihren Strickpullover auszog und danach anfing, die Knöpfe meiner Weste zu öffnen. Ich schob meine Hände unter das Leinenhemd, das sie darunter trug, und spürte die warme, weiche Haut ihrer Taille an meinen Fingern.
Plötzlich hielt sie entsetzt inne. „Sag mal, was machen wir hier eigentlich?“
„Möchtest du, dass ich es dir erkläre?“, fragte ich sarkastisch.
Sie gab mir einen Knuff auf meine Schulter. „Das meine ich nicht, Blödmann!“
Dann stieg sie aus dem Bett und stellte sich neben mich.
„Ich meine, wie soll das mit uns weitergehen? Etwa in der schlechtesten Form aller Fernbeziehungen, in der wir noch nicht einmal selbst bestimmen können, wann wir uns sehen? Können wir überhaupt sicher sein, dass das nicht unser letzter gemeinsamer Traum ist?“
„Sollten wir nicht gerade deshalb die Zeit nutzen, die wir zusammen haben?“
Sie schüttelte vehement ihren Kopf. „Nein! Ich darf… Ich will mich nicht in dich verlieben. Nicht unter diesen Umständen!“
Ich nickte verständnisvoll, wischte mit der Hand über mein Gesicht und stand auf. „Also morgen in aller Frische?“
Sie nickte erleichtert zurück. „Morgen in aller Frische, Dian!“
Als ich wieder im kalten Flur stand, drangen von unten die Geräusche aus dem Schankraum zu mir. Das Murmeln von Gesprächen, Klappern von Tellern und Gläsern, ein lautes Lachen – vielleicht von Florica? Ich könnte einfach zurückkehren, die Treppe hinunter und durch die Tür gehen. Mein Platz am Ofen wäre sicher noch frei. Aber ich wusste, ich würde dort nicht finden, was ich wirklich suchte. Außerdem war mir die Lust für heute vergangen.
Ich zog mich auf mein Zimmer zurück, das gleich gegenüber lag. Es war ein wenig kleiner als Mirays und ebenfalls bloß mit einem Bett, einem Schrank und einem Waschtisch ausgestattet. Auf dem Bett lag eine dicke Daunendecke ausgebreitet, unter die ich mich einkuschelte, bevor ich das Licht löschte.
Der Mond leuchtete kalt durch ein kleines Giebelfenster. In der Ferne erschallte das heisere Bellen eines einsamen Fuchses. Ich drehte mich auf die andere Seite und dachte an den Grafen, der uns so höflich zu sich eingeladen hatte und uns bat, nicht auf das Gerede im Dorf zu achten. Dann wiederum waren da Florica und Alexandru, die uns so eindringlich davor warnten, die Burg zu besuchen. Wer hatte recht? Was würde uns morgen erwarten?
Irgendwann schlief ich ein. Ich träumte von Miray. Sie saß weit entfernt auf der zerfallenen Mauer einer Burgruine und winkte mich panisch zu sich. „Hilf mir, Dian“, rief sie mit geisterhafter Stimme, „hilf mir, ich habe keine zwei Füße!“ Demonstrativ hob sie ihre Beine, welche in Ziegenhufen endeten. Ich versuchte, zu ihr zu eilen, doch vor mir wuchterte ein dichtes, dorniges Gestrüpp aus totem Unterholz, das mich am Fortkommen hinderte. Hinter Mirays Schulter tauchte plötzlich eine dürre, klauengleiche Hand mit langen Fingern auf. Ich versuchte zu schreien und sie zu warnen, aber meine Stimme versagte.
Danach saß ich in der Burg an einer Tafel, die sich in beide Richtungen endlos in die dunklen Untiefen des Gemäuers zu ziehen schien. Mir gegenüber hatte der Graf Platz genommen, ein alter, blasser, hagerer Mann mit dünnen grauen Haaren. Er nickte mir freundlich zu und erhob sein Glas, das mit blutrotem Wein gefüllt war. Dann lächelte er und entblößte sein Gebiss mit langen Reißzähnen.
Das Geräusch von Schritten ließ mich hochschrecken. Ich öffnete die Zimmertür und sah in den Flur, aber niemand war dort. Der Gasthof war mittlerweile geschlossen und alle seine Bewohner hatten sich zur Ruhe zurückgezogen. Es herrschte Totenstille im Haus.
„Das wird eine lange Nacht“, seufzte ich und kroch zurück ins Bett. Dort dämmerte ich im Halbschlaf, bis es draußen hell wurde.
Ich machte mich am Waschtisch mit dem eiskalten Wasser frisch und begab mich in die Gaststube. Miray saß bereits am Tisch und wärmte ihre Hände an einer Tasse mit duftendem Kräutertee. Verlegen setzte ich mich zu ihr. Ich hatte Schuldgefühle und wusste nicht einmal, weshalb.
Sie sah mich kurz an und sagte: „Du siehst aus, als hättest du eine anstrengende Nacht hinter dir.“
„Nicht, was du denkst. Ich hatte Albträume.“
Miray schmunzelte kurz. „So viel zu Floricas wunderbarem Schlummertrunk!“
Sie blies den Dampf von ihrer Tasse und nahm einen Schluck.
„Hast du in der Nacht auch Schritte gehört?“, fragte ich.
Sie schüttelte ihren Kopf. „Du solltest einen Bissen essen. Alexandru spannt bereits die Kutsche an, wir brechen in wenigen Minuten zur Burg auf.“
Florica kam mit einer weiteren Tasse Tee aus der Küche. Als sie mich sah, blieb sie kurz stehen, atmete tief durch und schritt langsam an unseren Tisch. Mit leerem Blick stellte sie die Tasse vor mir ab und hielt den Henkel noch eine Weile fest, als ob sie unseren Aufbruch damit hinauszögern könnte.
„Müsst Ihr wirklich zur Burg?“, fragte sie mich mit zitternder Stimme.
„Ich befürchte, wir haben keine andere Wahl, Florica.“
Ihr Mund öffnete sich und machte sich bereit, etwas zu sagen. Aber sie wusste, dass es keine Worte gab, die unseren Entschluss ändern würden. Plötzlich drehte sie sich um und rannte in die Küche zurück.
Kurz darauf betrat Alexandru den Raum. „Domnule Dian, Doamnă Miray, wir sollten nun aufbrechen.“
Hastig trank ich einen tiefen Schluck aus meiner Tasse und griff mir eine dicke Scheibe Brot, bevor wir uns in unsere Mäntel warfen und das Wirtshaus verließen.
Über Nacht hatte sich eine Wolkendecke über das Dorf gelegt und ließ die triste Schneelandschaft im dämmrigen Tageslicht noch trostloser erscheinen. Die Berge und Hügel umgaben uns wie ein Kessel. In der Ferne, auf der Spitze eines hohen Felsens und umgeben von dichtem Wald, erhob sich die Burg, ein dunkler Koloss aus Stein.
Vor dem Haus stand das Gefährt, das uns bereits in der Nacht hierher gebracht hatte. Erst jetzt bemerkte ich die großen Kufen, auf denen es ruhte. Es war ein Schlitten! Das Pferd, das davor gespannt war, schnaubte und tänzelte unruhig auf der Stelle.
Alexandru schwang sich träge auf den Kutschbock, griff in seine Tasche und zog einen Strang Knoblauch hervor. Er warf ihn neben sich auf den Sitz und schüttelte seinen Kopf. „Da hast du dir etwas eingebrockt, prostule!“, schimpfte er leise mit sich selbst.
Nachdem wir hinten Platz genommen hatten, bekreuzigte Alexandru sich. Dann trieb er das Pferd mit einem kurzen Befehl an, und der Schlitten setzte sich ruckartig in Bewegung.
Lautlos glitten wir durch den Schnee. Wir passierten ein paar Häuser und eine kleine Kirche, bevor wir das Dorf verließen und eine Straße befuhren, die nur Alexandru unter der dichten Schneedecke zu erkennen schien. Nach einer Weile fuhren wir an einer alten Scheune vorbei, danach lag alleine die Burg in der Ferne vor uns.
Nachdem wir uns ein großes Stück vom Dorf entfernt hatten, scheute das Pferd plötzlich und blieb unvermittelt stehen. „Von hier an müsst Ihr allein weiter. Seht Ihr den Pfad dort hinten?“ Alexandru deutete in die Ferne auf eine kleine Öffnung zwischen zwei auffällig großen Fichten an einem Waldrand. „Der wird Euch zur Burg führen.“
„Wann kommen Sie uns abholen?“, fragte Miray, nachdem wir ausgestiegen waren.
„Abholen?“, rief Alexandru und lachte abfällig. „Doamnă Miray, es war schon kühn genug, Euch hierher zu bringen. Nur ein Narr würde sein Glück ein zweites Mal herausfordern.“
„Wie kommen wir dann zurück ins Dorf?“
„Nun, Ihr braucht nur jenem Bach zu folgen, er fließt dorthin. Vorausgesetzt, Ihr schafft es weg von der Burg.“
Er zog sich seine Mütze über seine Ohren, nickte uns noch einmal zum Abschied zu, dann trieb er sein Pferd an und fuhr davon.
Miray stemmte ihre Hände in ihre Hüften und sah dem Schlitten hinterher. „Vielleicht hätten wir das besser besprochen, bevor wir losfuhren“, bemerkte sie trocken.
Fassungslos starrte ich sie an. „Wie kannst du nur so ruhig bleiben?“, rief ich voller Entsetzen. „Wir sitzen hier fest, mitten in der Wildnis, bei Schnee und Kälte! Irgendwo im Nirgendwo, ohne Essen! Was sollen wir denn jetzt machen?“
„Jetzt?“ Miray deutete zur Burg oben auf dem Berg, deren Turmzinnen wie Schatten aus den Baumwipfeln herausragten. „Jetzt statten wir dem Grafen unseren Besuch ab.“
Der Weg führte uns in einen Wald. Nach wenigen Metern machte er einen scharfen Knick und begann dann, sich in engen Serpentinen steil nach oben zu ziehen. Die dichten Bäume schluckten einerseits das sowieso schon spärliche Tageslicht, andererseits hielten sie einen Teil des Schnees zurück, so dass der Weg verhältnismäßig gut zu sehen und leicht begehbar war.
Als wir bereits ein wenig Höhe erreicht hatten, lichtete sich der Wald für einen Augenblick und gab einen Blick auf das tief verschneite Tal frei. Das Dorf lag in einem respektvollen Abstand zur Burg. Man konnte deutlich die davor gelagerte Scheune, den Kirchturm und ein paar Häuser mit rauchenden Kaminen erkennen. Aus dieser Perspektive ließ sich außerdem der Bachlauf erahnen, der vom Berg weg und an der Scheune vorbei bis ins Dorf führte.
Wir blieben stehen, um eine Pause zu machen und uns zu orientieren. Selbst Miray, die sportlicher war als ich, musste verschnaufen.
„Sag mal, Dian“, fragte sie unvermittelt, „gibt es dich wirklich? Oder bist du nur das Produkt meiner Einbildung?“
Ich sah sie überrascht an. „Das gleiche könnte ich dich fragen“, antwortete ich ungehalten. Wie konnte sie an meiner Existenz zweifeln?
„Natürlich bist du überzeugt davon, dass du existierst, so wie ich es bei mir bin. Aber wie können wir uns beim anderen sicher sein?“
„Das lässt sich leicht herausfinden. Du gibst mir deine Telefonnummer, und wenn wir aus diesem Traum aufwachen, rufe ich dich an. Dann werden wir es wissen.“
Aufgescheucht von unserer Unterhaltung, flog eine Krähe mit lautem Protest davon und ließ uns vor Schreck zusammenzucken.
Miray hielt kurz inne, dann winkte sie ab. „Ach, eigentlich ist das ja gar nicht wichtig. Lass uns weitergehen!“
Nach einer halben Stunde Fußmarsch ließ die Steigung endlich nach. Der Pfad führte uns um einen Hang herum. Erste lose Bruchsteine einer früheren Mauer tauchten auf und kündigten an, dass wir uns der Burg näherten. Wir erreichten ein Plateau, verließen kurz darauf den Wald und betraten eine Lichtung.
Die Finstere Burg lag nun direkt vor uns. Sie war ein gewaltiges Bauwerk, das zu seinen besten Zeiten eine Festung enormen Ausmaßes gewesen sein musste. Ein großer Teil lag jedoch in Trümmern. Die dicke Mauer, die sie einst schützte, war zerstört. Von etlichen Gebäudeteilen stand nur noch der Unterbau, aus dem zerfallene und verkohlte Holzbalken wie die abgebrochenen Zähne eines Drachen herausragten.
Nur ein Haus war noch intakt. Es war ein Steingebäude mit mehreren Etagen und einem hohen Turm an der Seite, dessen Zinnen wir am Fuß des Berges gesehen hatten. Der rauchende Kamin auf dem Dach verriet, dass unser Gastgeber zu Hause sein musste.
Wir erreichten das Portal, eine gewaltige, schwere Eichentür. An dessen Flügeln hingen Türklopfer, große Ringe aus Schmiedeeisen, die von massiven Wolfsköpfen gehalten wurden.
„Bist du bereit?“, fragte Miray mich. Ich nickte. Sie wollte gerade nach dem Türklopfer greifen, als sich das Tor mit einem lauten Knarren und Ächzen öffnete. Ein alter, hagerer Mann mit knochigem Schädel sah uns mit seinen eingefallenen, leblosen Augen an.
„Graf Bezos?“, fragte ich vorsichtig. „Sie hatten uns zu sich bestellt.“
Er knurrte bloß und winkte uns hinein.
Wir traten in eine einst prächtige Eingangshalle, die nun dunkel und arg verwahrlost aussah. Ein grauer Läufer zog sich durch das Kreuzgewölbe bis zu einer großen Treppe. Überall lag Staub, Spinnweben hingen wie Tücher von der Decke. Ein modriger Geruch kroch mit der Zugluft durch den Raum.
Die Treppe führte uns über eiskalte Steinstufen hinauf und endete vor einer schweren Holztür mit schmiedeeisernen Beschlägen. Dahinter lag der Rittersaal. Links loderte ein Feuer in einem riesigen Kamin. Jagdtrophäen hingen an den Wänden – sonderbar geformte Geweihe, übergroße Eberköpfe, dawischen der Kopf eines Wolfes, dessen Blick beinahe vorwurfsvoll in meine Richtung starrte. Darunter reihten sich Gemälde einer Ahnengalerie, deren von der Zeit geschwärzte Leinwände nur noch die Augen der Porträtierten hervorleuchten ließen. Durch die schmalen, aber hohen Fenster auf der gegenüberliegenden Seite fiel das trübe Tageslicht nur widerwillig hinein.
Die Mitte des Saals wurde von einer langen Tafel aus fast schwarzem Eichenholz dominiert, umzingelt von Stühlen mit hohen Rückenlehnen, in die Wolfsköpfe eingeschnitzt waren. Die Gestalt deutete mit einer leisen Bewegung, dass wir Platz nehmen sollten. Ohne ein Wort glitt sie hinaus und schloss die Tür hinter sich.
„Der Graf scheint nicht sehr gesprächig zu sein“, knurrte ich, während ich mich auf einen der schweren, unbequemen Stühle sinken ließ. „Wie sollen wir so aus ihm herausbekommen, was unsere Aufgabe ist?“
Ungeduldig trommelte ich mit meinen Fingern auf das knorrige Holz des alten Tisches. Mein Blick wanderte zu Miray, die langsam durch den Saal schritt. Sie blieb vor einem der Gemälde stehen und betrachtete es sich, als gäbe es darauf tatsächlich irgendetwas zu sehen.
Die Tür öffnete sich und ein hagerer, glatzköpfiger Mann mittleren Alters schritt hinein. Sein Anzug hätte fast königlich ausgesehen, wären nicht bereits ein paar hungrige Motten über den Stoff hergefallen. Der letzte Anlass, das edle Stück zu tragen, schien Jahrzehnte zurückzuliegen.
Er begrüßte meine Begleiterin galant mit einem Handkuss. „Doamnă Miray, Domnule Dian, ich, Graf Bezos, heiße Euch auf meiner bescheidenen Burg willkommen. Es ehrt mich, dass Ihr meiner Einladung gefolgt seid und einen Besuch einrichten konntet. Mein Diener Egor hat Euch hoffentlich nicht erschreckt. Wir erwarten hier nur selten Besuch.“
Er rückte Miray den Stuhl heran, dann nahm er uns gegenüber Platz, räusperte sich und begann, uns den Grund seiner Einladung zu schildern.
„Ich möchte Eure kostbare Zeit nicht unnötig in Anspruch nehmen, Doamnă Miray, Domnule Dian. Doch es gibt eine dringende Angelegenheit, die mich dazu bewogen hat, Euch hierher zu rufen. Das Geschlecht der Bezos lebt seit Generationen auf dieser Burg. Und ebenso lange richten sich beim leisesten Flüstern von Unglück die misstrauischen Augen der Dorfbewohner auf uns. Sei es eine schlechte Ernte, ein heftiges Unwetter, selbst eine Mondfinsternis reichte einst aus, um sie mit Fackeln vor die Tore zu treiben. In diesen Tälern gibt es keinen Platz für Vernunft, wenn Furcht und Aberglaube regieren.“
„Und jetzt ist es wieder soweit?“, fragte Miray.
Der Graf nickte bedächtig. „Wie ich erfuhr, ist im Dorf eine gewisse Mariana, die Tochter des Hufschmieds, spurlos verschwunden. Ich fürchte nun, dass die Dorfbewohner einmal mehr ihren alten Aberglauben heraufbeschwören und ihren Zorn gegen mich richten werden. Sollten sie diese Mauern erneut stürmen, werde ich nicht die Mittel haben, die Burg ein weiteres Mal aufzubauen.“
Mit flehentlichem Blick sah er uns an, und ich empfand plötzlich Mitleid mit ihm.
„Ich versichere Euch, ich bin unschuldig, so wie es auch meine Vorfahren stets waren. Deshalb bitte ich Euch inständig um Eure Hilfe. Beweist meine Unschuld und findet das Mädchen! Ihr seid die Einzigen, die mit kühlem Kopf und einem offenen Geist agieren werdet.“
Miray nickte verständnisvoll. „Aber wie können wir sicher sein, dass die gesuchte Mariana nicht hier in der Burg versteckt ist?“
Für einen Moment verzog der Graf sein Gesicht und seine Augen verengten sich zu Schlitzen, bevor er seine Fassung zurückerlangte. „So sehr mich Eure Frage kränkt, Doamnă Miray, verstehe ich doch, dass Ihr sie stellen müsst. Ihr seht selbst den beklagenswerten Zustand dieser einst so stolzen Mauern. Der Platz reicht gerade aus für meinen treuen Diener und mich. Im Winter sind die Vorräte schon knapp für uns beide, geschweige denn für einen weiteren Bewohner. Und was sollte ich mit einer jungen, womöglich gar lebhaften Frau anfangen? Ich schätze die Ruhe und Einsamkeit dieser Gemäuer.“
Miray dachte einen Moment nach, dann nickte sie. Wir erhoben uns, und sie bedankte sich beim Grafen. „Ich denke, wir sollten ins Dorf zurückkehren und mit der Suche beginnen.“
Kaum hatte sie den Satz ausgesprochen, öffnete sich die Tür und Egor trat ein. Wortlos führte er uns die Treppe hinab und durch das Gewölbe zurück zum Portal. Als wir aus der Dunkelheit traten, blendete uns das Tageslicht. Erst nach ein paar Schritten bemerkte ich, dass es angefangen hatte zu schneien.
Wir durchquerten die Lichtung und blickten ein letztes Mal zurück zur Burg.
„Weißt du“, sagte ich leise, „ich hätte ja mit allem gerechnet, aber nicht mit diesem freundlichen Empfang und einem Grafen, der uns fast Tee und Gebäck serviert hätte.“
Miray nickte. „Der Graf schrieb ja, dass der Schein oft trügt.“
Wir betraten den Wald und begannen den Abstieg ins Tal. Es war still, diese besondere, watteartige Stille, die man nur wahrnimmt, wenn Schnee fällt. Die Ruhe ließ meine Gedanken abschweifen. Wie ironisch, dachte ich, auf der von allen so gefürchteten Burg wurden wir freundlicher empfangen als in dem Dorf, in das wir nun zurückkehren sollten.
Als wir das Tal erreichten und aus dem Wald traten, hatte der Schnee zugenommen. Wir kehrten zu der Stelle zurück, an der Alexandru uns abgesetzt hatte. Die Spuren seines Schlittens waren nur noch schwache Einkerbungen im frischen Weiß, und es würde nicht mehr lange dauern, bis sie vollständig verschwunden waren. Würden wir ihnen folgen, würden wir uns in dieser Wildnis hoffnungslos verirren.
Also machten wir uns auf die Suche nach dem Bach und begaben uns von dort auf den Rückweg.
Aus dem Schneefall entwickelte sich ein wahrer Sturm, der uns die Sicht raubte. Ich fror. Die Kälte kroch unter meine Kleidung und die Feuchtigkeit legte sich klamm auf meine Haut.
„Wenn ich daran denke, dass zu Hause gerade Sommer ist…“, murrte ich.
Miray nickte. Dann deutete sie auf ein kastenförmiges Objekt, das man in der Ferne schemenhaft erahnen konnte. „Das ist vermutlich die alte Scheune! Dort können wir uns unterstellen und warten, bis das Wetter sich bessert.“
Wir stapften eine weitere halbe Stunde durch den tiefen Schnee, bis wir unseren Unterschlupf erreichten. Die Scheune war ein einfaches Holzhaus, dessen Vordach bereits teilweise eingestürzt war. Das Tor war geschlossen, aber nicht verriegelt. Miray schob es ein Stück auf und wir gingen hinein.
Das Gebäude schien länger nicht mehr genutzt worden zu sein. Tageslicht fiel durch milchig trübe Fenster, aber auch durch die Ritzen der groben Wandkonstruktion. In einer Ecke lag ein großer Haufen Heu. Zwei Heuwagen waren abgestellt, von denen einer ein gebrochenes Rad hatte. Es roch nach altem Gras und Mäusekot. Wenigstens war das Dach dicht und hielt den Innenraum trocken und schneefrei.
„Und nun?“, fragte ich Miray, während wir uns umsahen. „Wie sollen wir Mariana finden? Wir wissen noch nicht einmal, wie sie aussieht.“
„Wir könnten herausfinden, wer sie zuletzt gesehen hat. Aber vermutlich werden die Dorfbewohner uns nicht viel erzählen, so misstrauisch, wie sie sind.“
Ich nickte. „Was können wir sonst machen? Ich meine, Mariana wird wohl kaum zufällig unseren Weg kreuzen und uns zuwinken.“
Mein Fuß blieb an einem Gegenstand im Heu hängen. Ich stolperte und fiel in den Haufen. Als ich zurückblickte, sah ich einen Arm aus dem Heu herausragen. Panisch rief ich nach Miray. Sie eilte herbei und begann sofort, den Rest des Körpers freizulegen. Dann hielt sie inne.
„Wie es aussieht, hat Mariana das gerade getan.“
Vor uns lag eine junge Frau. Ihr toter Leib war von der Kälte bereits gefroren. Sie trug einen dicken Fellmantel und darunter ein buntes Kleid. Miray durchsuchte ihre Taschen und fand einen Zettel, den sie mir reichte.
„Liebste Mariana, komm am Nachmittag zur Scheune. R“, las ich vor. „Wer ist ‚R‘?“
„Vielleicht ihr Mörder“, antwortete Miray. „Nach einem Unfall sieht es mir jedenfalls nicht aus. Schau mal hier!“
Sie hatte den Kragen des Mantels zur Seite geschoben und deutete auf Marianas Hals. An der Halsschlagader waren zwei Löcher zu sehen, die wie Bissspuren aussahen. Sie hielt ihren Zeigefinger daneben, bevor sie die Stelle gründlich untersuchte.
„Wusste ich es doch!“, rief ich. „Der Graf hat uns an der Nase herumgeführt! Er lockte Mariana in die Falle und fiel über sie her. Dann holte er uns, damit wir ihn entlasten würden. Er hoffte wohl, dass wir sie hier niemals finden.“
Miray lachte laut. „Sag bloß, du hälst den Grafen für einen Vampir!“
Ich deutete auf die Wunde am Hals des Opfers. „Ist das nicht Beweis genug? Wir sollten sofort die Polizei verständigen!“
Sie winkte ab. „Wie sähe das aus? Zwei Fremde kommen ins Dorf, statten dem Grafen einen Besuch ab, und kurz darauf finden sie ganz zufällig in einer verlassenen Scheune, gut versteckt in einem Heuhaufen, die vermisste Frau tot und mit Bissspuren am Hals.“
„Aber wenn das doch die Wahrheit ist?“
„Man würde uns nicht glauben, sondern für Komplizen des Grafen halten und einsperren. Ich weiß ja nicht, wie es dir geht, aber ich habe nicht vor, den Rest meines Lebens hier im Knast zu verbringen und dein Geturtel mit Florica ertragen zu müssen, wenn sie uns Essen bringt.“
Auch wenn der Seitenhieb unnötig war, sah ich ein, dass Miray recht hatte.
„Und jetzt?“
Miray dachte nach. „Sobald das Wetter sich etwas gebessert hat, gehen wir ins Dorf und teilen dem Hufschmied mit, dass wir seine Tochter gefunden haben. Dann schauen wir weiter.“
Wir fanden ein paar alte Pferdedecken und legten sie uns um. Warm eingekuschelt setzten wir uns auf einen der Heuwagen und warteten. Der Schnee fiel unaufhörlich, dicke Flocken vor einer grauen, undurchdringlichen Wand.
Miray war in Gedanken versunken, während ich an dem Saum meiner Decke spielte. Plötzlich streckte sie mir ihren Zeigefinger entgegen.
„Beiß mal drauf“, sagte sie. Ihr Ton war ernst, was ihre Bitte nur noch merkwürdiger machte.
Ich sah sie irritiert an.
„Nun mach schon! Gestern Abend wolltest du noch an mir herumknabbern.“
Zögernd biss ich sanft auf ihren Finger. Ich sah sie an wie ein Hund, der gerade ein Stück Fleisch vom Teller geklaut hat.
„Wusste ich es doch!“, stellte sie fest und nickte zufrieden.
„Was denn?“, nuschelte ich.
Sie zog ihren Finger aus meinem Mund und ließ ihren Arm wieder unter die Decke verschwinden.
„Du bist kein Vampir!“, sagte sie lachend.
Dann richtete sich ihr Blick wieder nach draußen, als sei nichts gewesen. Besorgt starrte ich sie an. Hatte die Kälte ihr so stark zugesetzt?
Irgendwann ließ der Schneefall nach. Wir verließen die Scheune und konnten in der Ferne den Kirchturm des Dorfes erkennen.
„Es wird Zeit“, sagte Miray, „lass uns weitergehen!“
Am Ortsrand begegneten wir einer Frau, die sich durch den Schnee kämpfte. In ihren dicken Fellmänteln und mit einer riesigen Mütze auf ihrem Kopf sah sie zuerst aus wie ein Bär. Miray hielt sie an und fragte nach dem Schmied.
„Zu Constantin?“, entgegnete sie kurz angebunden und wies uns mit einer knappen Handbewegung den Weg.
Wenige Minuten später erreichten wir die Schmiede. Sie war nicht zu verfehlen. Das dumpfe Klirren von Metall auf Metall führte uns wie ein Leuchtfeuer durch die engen Gassen. Wir betraten den Innenhof und gingen in die Werkstatt.
Das Feuer im Schmiedeofen erhitzte den kleinen Raum und spendete ein wenig Licht. An einem Amboss stand ein großer, kräftiger Mann, der gerade ein orangerot glühendes Hufeisen bearbeitete. Als er uns kommen sah, nickte er uns zu. Dann beendete er seine Arbeit, hielt das Eisen noch einmal kurz in die Glut und warf es schließlich in einen Wassereimer, wo es laut zischend abkühlte.
Er legte den Hammer zur Seite und kam auf uns zu. Sein Gesicht war dunkel vor Ruß und der Hitze, und sein Gesichtsausdruck war gezeichnet von Sorge und viel zu wenig Schlaf.
Misstrauisch musterte er uns. „Was wollt Ihr?“, knurrte er schließlich.
„Sie sind Constantin, der Hufschmied, nicht wahr?“, fragte Miray.
Der Mann sah sich um. „Seht Ihr hier sonst wen, der’s sein könnte?“
Miray schloss für einen Moment die Augen und tippte sich mehrmals mit ihrem Zeigefinger auf die Nasenspitze. Dann sah sie Constantin an.
„Ich befürchte, wir haben schlechte Nachrichten! Wir fanden Ihre Tochter draußen in der Scheune. Sie ist tot.“
Constantin setzte sich auf einen Schemel, aber er blieb überraschend gefasst. „Tot, sagt Ihr? Das hab’ ich schon befürchtet. Zu dieser Jahreszeit könnte niemand tagelang allein in der Wildnis überleben. Nun gut, ich werde dafür sorgen, dass Mariana ins Dorf geholt wird.“
Er schüttelte ungläubig seinen Kopf. „In der alten Scheune! Was in aller Welt hat sie nur dazu gebracht, an diesen verlassenen Ort zu gehen?“
„Wir fanden diese Nachricht bei ihr.“
Miray reichte Constantin den Zettel. Er las ihn und murmelte sich dabei langsam die einzelnen Worte zu, als würde er ihn sich selbst vorlesen. Als er fertig war, wurde sein Kopf rot vor Wut.
„Der Zettel ist bestimmt von Radu, diesem nichtsnutzigen Balg des Wirts!“ Er zerknüllte die Nachricht in seiner Faust und warf sie uns vor die Füße. „Oh, ich schwöre bei Gott, wenn dieser Schürzenjäger etwas mit meiner Tochter hatte… ich bringe ihn um!“
„Vielleicht war es Radu gar nicht“, warf ich schnell ein. „Wir fanden nämlich Bissspuren am Hals Ihrer Tochter!“
Miray gab mir einen Tritt gegen mein Schienbein und warf mir einen grimmigen Blick zu.
„Ich wusste es!“, brüllte Constantin, bevor er endgültig in Tränen ausbrach. „Der Graf! Erst nahm der Allmächtige mir meine Frau, und nun nimmt mir diese Ausgeburt des Teufels auch noch mein einziges Kind!“
Er sackte völlig in sich zusammen. Miray hob eilig den Zettel auf, dann griff sie meinen Arm und zog mich ins Freie.
„Der Hinweis auf den Biss war unnötig, meinst du nicht?“, schimpfte sie, als wir wieder vor der Tür standen.
„Was hätte ich tun sollen?“, protestierte ich. „Er war kurz davor, loszulaufen und jemanden umzubringen!“
„So schürst du nur den Aberglauben! Wir sollen den Grafen entlasten. Stattdessen lieferst du ihn ans Messer.“
Sie atmete tief durch, um sich zu beruhigen.
„Lass uns zum Wirtshaus zurückkehren“, sagte sie schließlich. „Wenigstens haben wir endlich eine heiße Spur!“
Wir erreichten den Gasthof diesmal von der Rückseite. Eine ältere Frau schloss gerade die Tür eines kleinen Nebengebäudes ab, das fast vollständig unter einer Schneedecke begraben lag. Dann ließ sie den Schlüssel in ihre Tasche gleiten, griff einen Korb und begab sich auf ihren Stock stützend zurück zum Gasthof. Als sie uns bemerkte, nickte sie uns freundlich zu.
„Sie sind sicher Alina“, grüßte Miray.
Sie nickte erneut und sprach mit heiserer Stimme: „Und Ihr müsst die Fremden sein, die zum Grafen wollten. Der Herr hat Euch gesegnet, Ihr seid heil zurückgekehrt!“
„So sieht es aus“, erwiderte Miray. „Können Sie mir sagen, wo wir Ihren Sohn finden?“
„Radu?“ Die Wirtin deutete auf ein Fenster in der ersten Etage. „Er ist in seiner Kammer. Es geht ihm nicht gut, seit die Tochter des Hufschmieds verschwunden ist. Alexandru hält nicht viel vom Schmied, aber Mariana ist ein gutes Mädchen. Hoffentlich kehrt sie bald zurück.“
Miray seufzte. „Ich befürchte, das wird sie nicht mehr. Wir fanden sie tot in der alten Scheune.“
Alina ließ den Korb fallen und bekreuzigte sich hastig. „Tot, sagt Ihr? Es war der Graf, nicht wahr?“
Sie deutete zu der soliden Eichentür des Nebengebäudes, die sie gerade abgeschlossen hatte.
„Neulich erst drang er in unsere Vorratskammer ein und biss in einen Schweinekopf. Und jetzt die arme Mariana! Die Einsamkeit in seiner Burg muss ihm endgültig den Verstand geraubt haben!“
„Dazu hat jeder seine eigene Theorie, scheint es“, knurrte Miray und sah mich vorwurfsvoll an.
Wir gingen ins Haus und klopften an Radus Kammertür. Eine junge Männerstimme bat uns hinein. Die Ausstattung des Zimmers entsprach unseren Gästezimmern, vermutlich diente es an geschäftigen Tagen auch als solches. Auf dem Bett saß Radu, müde und ausgezehrt vor Sorge, und sah uns fragend an. Miray stellte uns vor und setzte sich neben ihn auf die Bettkante.
„Radu, wir haben Mariana gefunden“, begann sie.
Für einen Moment hellte sich sein Gesicht auf und er sah sie hoffnungsvoll an. Als sie keine Miene verzog, ahnte er, dass seine Hoffnung vergebens war.
„Sie ist tot?“, fragte er mit bebender Stimme.
Miray behielt ihre ruhige Verfassung. „Es tut mir leid, Radu“, sagte sie leise und machte eine Pause, als wollte sie ihm einen Moment geben, die Nachricht zu verarbeiten. „Du hast sie geliebt, nicht wahr?“
Er nickte. „Aber davon darf niemand erfahren, wegen dieser alten Fehde zwischen meinem Vater und dem Hufschmied. Marianas Mutter starb, als sie geboren wurde. Später kümmerte Mariana sich um ihren Vater. Sie kam fast jeden Tag zu uns ins Gasthaus, um Essen zu holen. So haben wir uns kennengelernt. Seit sie vor ein paar Tagen verschwunden ist, bin ich ganz krank vor Sorge. Was ist geschehen?“
„Ich befürchte, sie wurde ermordet.“
Radu machte große Augen. „Ermordet? War es der Graf?“
Miray ließ kurz die Schultern sinken, bevor sie die Notiz hervorzog und ihm hinhielt. „Das hier haben wir bei Mariana gefunden.“
Er las den Zettel, dann schüttelte er den Kopf und sah uns irritiert an.
„Ich verstehe nicht. Die Botschaft ist nicht von mir!“
„Mein Sohn hat nichts damit zu tun!“, polterte Alexandrus Stimme hinter uns. Er musste uns seit einer Weile belauscht haben. „Mariana ist also tot? Das geschieht diesem Constantin nur recht! Und wenn der Graf sie auf dem Gewissen hat, ist es besser so, dass diese arme Seele nun erlöst ist. Aber mein Radu hat nichts damit zu tun!“
„Woher wollen Sie das wissen?“, entgegnete Miray.
„An dem Tag, als Mariana verschwand, waren Radu und ich in der Stadt, um Fleisch und Vorräte zu kaufen. Wir kamen erst nach Sonnenuntergang zurück, da herrschte im Dorf bereits helle Aufruhr. Wenn Ihr mir nicht glaubt, fragt den Händler in der Stadt!“
Er sah uns mit grimmigen Augen an. „Und jetzt hinaus! Wir haben Euch freundlich in unser Haus aufgenommen, und Ihr habt dieses Gastrecht schamlos missbraucht, indem Ihr meinen Sohn beschuldigt.“
Miray baute sich vor Alexandru auf. Ihr Blick hätte Stahl schneiden können. Sie ballte ihre Fäuste, bereit für einen Schlag. Doch dann griff sie nach meiner Hand. Sie zog mich aus der Kammer, ohne ein Wort zu sagen.
Die Gaststube war menschenleer und der Ofen, der heute früh noch Wärme gespendet hatte, war erloschen. Wir ließen uns in die Stühle an unserem Tisch fallen. Miray stützte ihren Kopf auf ihre Arme, schloss ihre Augen und dachte nach. „Unsere heiße Spur war dann wohl eine Sackgasse“, knurrte sie leise und seufzte tief.
Ich schüttelte meinen Kopf. „Vielleicht log Radu, als er sagte, dass er die Nachricht nicht geschrieben hat.“
„Ich glaube, dass er die Wahrheit sagt. Warum sollte er die Frau, die er liebt, umbringen? Außerdem war er an dem Tag, als Mariana verschwand, gar nicht im Dorf.“
„Das behauptet sein Vater!“, protestierte ich. „Natürlich will er seinen Sohn schützen. Und er weiß, dass wir ohne seine Hilfe nicht in die Stadt kommen, um den Händler zu fragen.“
„Wir müssen es schaffen, das Alibi zu prüfen. Bis dahin sollten wir vorsichtiger sein und nichts mehr verraten. Die Leute sind schon misstrauisch genug.“
„Meinst du nicht, wir sollten draußen nach neuen Spuren suchen?“, fragte ich.
„Das einzige, was wir draußen bekommen werden, ist eine Erkältung.“ Sie schüttelte den Kopf. „Nein, ich habe das Gefühl, wir haben schon fast alle Stücke des Rätsels beisammen. Wir haben sie nur noch nicht richtig zusammengesetzt.“
Ich seufzte und trommelte mit meinen Fingern auf dem Tisch. „Also werden wir einfach nur hier sitzen?“
„Sitzen und nachdenken!“, korrigierte sie mich.
Untätig warten lag vielleicht in Mirays Natur, in meiner aber sicher nicht.
„Können wir nicht wenigstens Karten spielen?“, quengelte ich.
Sie lachte kurz. „Du würdest sowieso verlieren.“
Miray lehnte sich zurück, verschränkte ihre Arme hinter ihren Kopf und begann, Löcher in die Luft zu starren. Ich beboachtete sie eine Weile, bis mir die Augen zufielen.
„Die fehlte mir gerade noch“, murmelte Miray plötzlich. Ihr Gesicht verzog sich, als ob sie auf eine Zitrone gebissen hätte.
Ich drehte mich um und sah eine breit grinsende Florica mit drei Krügen in ihren Händen auf uns zukommen.
„Vielleicht kommt sie wie gerufen“, flüsterte ich Miray zu. „Vertrau mir!“
Als Florica unserem Tisch erreichte, stellte sie die Krüge ab und setzte sich zu uns.
„Ihr seid wohlbehalten zurückgekehrt!“, rief sie erfreut. „Also habt Ihr Euch besonnen und dem Grafen keinen Besuch abgestattet?“
„Oh doch, wir waren an der Burg“, antwortete ich.
Florica sah uns verdutzt an. „Also war der Graf nicht dort?“
„Er hat uns sogar empfangen!“
Florica griff meine Hand und drückte sie fest. „Ich wusste es! Wenn es jemand gelingt, lebendig von der Burg zurückzukehren, dann seid Ihr es. Was war sein Anliegen?“
„Der Graf hat uns einfach um einen Gefallen gebeten, weiter nichts“, antwortete ich ausweichend.
Florica verstand meinen Wink. „Ich bin zu neugierig. Verzeiht bitte.“
Sie stieß mit uns an und wir tranken einen Schluck. Dann schenkte Florica mir wieder ihre ungeteilte Aufmerksamkeit.
„Ich beneide Euch“, säuselte sie. „Ihr reist sicher viel und erlebt aufregende Dinge, während ich hier im Dorf festsitze.“
Ich lächelte Florica an und sah ihr tief in ihre Augen. „Ach, Florica, so spannend ist das gar nicht. Und ich bin überzeugt, dass es im Dorf auch nicht so langweilig ist. Ich habe gehört, dass erst neulich eine junge Frau spurlos verschwand. Da waren sicher alle in heller Aufregung!“
Florica verdrehte theatralisch die Augen und seufzte. „Oh ja. An jenem Tag ging es drunter und drüber. Das halbe Dorf war hier versammelt und hat eifrig diskutiert.“
„Natürlich“, stimmte ich zu und trank einen weiteren Schluck. „Aber ich kann mir denken, so fleißig und geschickt wie du bist, war es für dich kein Problem, die vielen Gäste zu bedienen. Außerdem hattest du sicher Hilfe vom Wirt und seinem Sohn.“
Florica schaute verlegen in ihre Tasse. „Ihr werdet es kaum glauben, Domnule Dian, aber ausgerechnet an jenem Tage waren die beiden in der Stadt. Ich musste die Gäste ganz alleine bedienen!“
Ich nickte anerkennend. „Ich wusste, dass du das schaffst, Florica!“
In dem Moment öffnete sich die Tür zum Schankraum. Der Wirt und der Schmied traten ein, sie unterhielten sich mit lauten, aufgebrachten Stimmen. Es folgten Alina und Radu, dahinter ein Mann, den wir nicht kannten. Ohne uns zu beachten, setzte sich die Gruppe an den großen Tisch neben unserem.
„Schau an, wir haben hohen Besuch!“, flüsterte Florica uns zu. „Sogar der Bürgermeister ist gekommen. Und Alexandru zusammen mit Constantin, ohne dass sie sich an die Gurgel gehen! Es muss etwas Wichtiges geschehen sein.“
Sie entschuldigte sich, unterhielt sich kurz mit Alexandru und verschwand dann in der Küche.
Miray griff meine Hand, und ich zuckte unwillkürlich zusammen, eine Standpauke erwartend. Doch statt des Tadels schenkte sie mir ein zufriedenes Lächeln und flüsterte: „Das hast du gut gemacht, Dian! Vielleicht sogar ein wenig zu gut. Du hast Florica nach allen Regeln der Kunst um den kleinen Finger gewickelt. In dir steckt ein richtiger Casanova!“
Ich grinste stolz. „Und schon ist das Alibi bestätigt! Es kann also nur der Graf gewesen sein.“
Miray schüttelte ihren Kopf. „Das Schwein ist der Schlüssel, davon war ich schon die ganze Zeit überzeugt. Und jetzt fügt sich alles zusammen.“
Das Funkeln in ihren Augen war mir nur allzu vertraut: Sie hatte den Fall geknackt. Neugierig sah ich sie an. Sie überlegte kurz und wollte gerade zu einer Erklärung ansetzen, doch dann zögerte sie. „Jetzt nicht!“, sagte sie leise.
Florica brachte Krüge an den benachbarten Tisch und servierte Platten mit Käse und geräucherten Würsten. Dann setzte sie sich wieder zu uns.
„Die verschwundene Frau, das war Mariana, die Tochter von Constantin“, flüsterte sie uns zu. „Er hat sie nun gefunden. Tot, mit einem Biss am Hals. Solche Male… das sind widernatürliche Zeichen! Der Graf wird bald seine gerechte Strafe erhalten!“
Miray räusperte sich und sprach so laut, dass man es am Nachbartisch hören musste: „Das ist aber sehr interessant, dass der Hufschmied behauptet, er hätte Mariana gefunden.“
Alexandru verstummte und sah sie zornig an. Dann stand er auf und rief: „Domnule Dian, Doamnă Miray, dies ist eine Angelegenheit des Dorfes. Eure Anwesenheit ist hier nicht länger erwünscht. Geht auf Eure Zimmer und packt Eure Sachen! Ich werde Euch heute noch in die Stadt und zum Bahnhof bringen.“
Miray stand nun ebenfalls auf und erwiderte: „Sie vergessen, dass wir nicht auf Ihren Wunsch hier sind, sondern einer Einladung des Grafen folgten. Und ich bin überzeugt, dass der Graf unschuldig ist.“
Alexandru lachte spöttisch. „Was für ein Unfug! Ihr seid Handlanger des Grafen, sonst nichts. Doch die Zeichen sind nur allzu deutlich. Die arme Mariana hatte zwei Male am Hals! Hier sind übernatürliche Kräfte im Spiel.“
Miray verschränkte die Arme, ihre Augen fest auf den Wirt gerichtet. „An den Wunden war fast kein Blut! Das bedeutet, sie wurden Mariana erst nach ihrem Tod zugefügt. Außerdem geschah dies von Hand, nicht durch einen Biss.“
„Unsinn!“, schimpfte Alexandru. „Woher wollt Ihr das wissen?“
„Der Abstand stimmt nicht! Die beiden Einstichstellen sind zwei Fingerglieder weit auseinander. Das habe ich selbst gemessen.“
Sie drückte sich ihren Zeigefinger gegen ihre Zähne.
„Sehen Sie? Das ist viel zu weit für die Eckzähne eines menschlichen Gebisses! Nur eine Nadel, geführt von der Hand des Mörders, konnte diese Einstiche verursachen.“
Verblüfft starrte ich Miray an. Tatsächlich lagen die Eckzähne näher beieinander. Das musste ihr schon in der Scheune aufgefallen sein. Sie ließ mich dort in ihren Finger beißen, um ihren Verdacht zu bestätigen.
„Nein, der Graf ist unschuldig“, plädierte sie. „Der Mörder der armen Mariana ist hier unter uns. Und ich weiß auch, wer es ist.“
Der Wirt bekam ein tiefrotes Gesicht. „Beschuldigt Ihr immer noch meinen Sohn Radu? Fallt nicht auf dieses Geschreibsel herein, das soll Euch nur täuschen.“ Er hob seine Faust und schwang sie. „Schweigt endlich, es ist nicht Eure Angelegenheit!“
Der Bürgermeister zog an Alexandrus erhobenen Arm. „Nein, die Doamnă soll zu Wort kommen. Was sie sagt, ist kaum zu bestreiten.“ Dann drehte er sich zu Miray. „Meint Ihr damit, dass jemand aus dem Dorf Mariana ermordet hat und Radu die Tat anhängen will?“
„Auch Radu kann es nicht gewesen sein. An dem Tag, als Mariana verschwand, waren er und Alexandru in der Stadt. Die gute Florica hat uns das eben bestätigt. Sie kommen als Täter nicht in Frage.“
Alexandru starrte Miray sprachlos an. Dass sie seinen Sohn entlasten würde, damit hatte er nicht gerechnet. Doch wer war es dann? Plötzlich weiteten sich seine Augen. Blitzschnell langte er über den Tisch und packte Constantins Hals. „Du Teufel! Um mir meinen Radu zu nehmen, opferst du sogar deine eigene Tochter!“, brüllte er.
Constantin stieß ihn von sich. „Bist du des Wahnsinns? Niemals würde ich das tun!“
„Constantin war es auch nicht!“, rief Miray dazwischen. „Weshalb, dazu komme ich jetzt. Alina erwähnte, dass vor ein paar Tagen ein Schwein ähnliche Bissspuren aufwieß. Ich begriff erst jetzt, wo der Zusammenhang ist. Es bedeutet, der Täter hatte Zugang zur Speisekammer. Er muss hier zum Gasthof gehören.“
Alexandru lachte laut auf. „Wieder redet Ihr Unsinn! Wer hätte das sein sollen, etwa meine gute Alina?“
Miray schüttelte den Kopf. „Nein. Alina ist auf ihren Stock angewiesen. Bei dem Schnee hätte sie es kaum zur Scheune geschafft, ganz zu schweigen davon, dort eine junge und wehrhafte Frau zu erledigen.“
Radu begriff, dass Miray damit jede anwesende Person als Täter ausgeschlossen hatte. Jede bis auf eine. „Du!“, keuchte er, sprang auf und zeigte mit zitternder Hand auf Florica. „Du hast meine Mariana umgebracht! Warum? Warum bloß?“
vFlorica brach in Tränen aus. „Du hast mir süße Worte ins Ohr geflüstert. Zärtliche Worte. Du hast mir deine Treue geschworen! Doch dann schwand deine Aufmerksamkeit. Ich sah, wie du Mariana heimlich kleine Zettel zustecktest, wenn sie das Essen für Constantin holte. Eines Tages bin ich dir gefolgt, zur alten Scheune, wo ihr euch heimlich getroffen habt.“
Miray führte fort: „Und so hast du den Plan gefasst, deine Nebenbuhlerin aus dem Weg zu schaffen. Du konntest die Speisekammer betreten, ohne Verdacht zu erregen. Dort hast geübt, mit einer Nadel die Bissspuren am Schweinekopf anzubringen. Als Alexandru und Radu dann in die Stadt fuhren, hast du die Gelegenheit genutzt. Du hast Mariana die falsche Nachricht zugesteckt und sie damit in die Scheune gelockt. Dort hast du sie erstickt und mit der Nadel in ihren Hals gestochen. Dir war klar: Jeder im Dorf würde sofort annehmen, dass der Graf sie auf dem Gewissen hat. Aber du hast zwei Fehler gemacht! Du hast vergessen, den Schweinekopf zu beseitigen, und du hast die Nachricht nicht wieder an dich genommen.“
Es herrschte Stille. Alle starrten entsetzt auf Florica.
Plötzlich sprang sie auf und versuchte, zur Tür zu rennen, doch der Bürgermeister reagierte sofort und hielt sie fest. Verzweifelt brach sie zusammen.
„Den Rest sollen sie unter sich ausmachen“, flüsterte Miray mir zu. Sie deutete auf den grünen Kreis auf ihrem Handgelenk. „Es wird Zeit, dass wir von hier verschwinden.“
Wir schlichen uns aus dem Schankraum und schlossen leise die Tür hinter uns.
„Was für ein Abenteuer!“, sagte sie, während wir die knarrenden Stufen zur Dachetage hinaufgingen. „Es tut mir allerdings leid, dass ich deine Freundin überführen musste.“
„Sie ist nicht meine Freundin“, schnaubte ich leise. „Aber wie kamst du überhaupt auf Florica?“
Miray warf mir einen kurzen Blick zu. „Eigentlich hast du mir den Denkanstoß gegeben. Nachdem du mit Florica geflirtet hast, um das Alibi zu bestätigen, nannte ich dich einen Casanova. Da erinnerte ich mich, dass Constantin Radu einen Schürzenjäger nannte, und fragte mich: Hatte Radu vielleicht auch etwas mit Florica, bevor er sich für Mariana interessierte? Schon fügten sich alle unsere Puzzleteile perfekt zusammen.“
Ich musste kurz lachen. Die Erklärung war so simpel, das ich mich ärgerte, nicht selbst darauf genommen zu sein. „Aber warum flirtete Florica dann mit mir, wenn sie noch in Radu verliebt war?“
Miray zuckte mit den Schultern. „Vielleicht fühlte sie sich zurückgewiesen und bekam von dir die Aufmerksamkeit, die sie so dringend brauchte.“
Wir erreichten die Dachetage und Miray öffnete ihre Zimmertür. Wie erstarrt blieb sie stehen.
„Was ist das?“, stammelte sie und deutete auf ihr Bett. Dort lag ein Brief, geschrieben auf dickem Büttenpapier, sorgsam gefaltet und versiegelt mit einem dicken roten Wachssiegel.
Sie nahm den Brief und wendete ihn vorsichtig in ihren Händen. Dann brach sie das Siegel und las mir die Nachricht vor.
Doamnă Miray, Domnule Dian,
es erfreut mich, dass der Ruf, der Euch vorauseilte, in vollem Maße gerechtfertigt war. Ihr habt das Licht der Wahrheit in die Dunkelheit gebracht, die wahre Schuldige entlarvt und mich von den verheerenden Anschuldigungen befreit, die so schwer auf mir lasteten.
Für diesen Dienst möchte ich Euch meinen tiefsten Dank aussprechen! Ihr seid jederzeit als geschätzte Gäste auf meiner Burg willkommen.
Ich wünsche Euch eine gute und sichere Reise, wohin Euer gemeinsamer Weg Euch auch führen mag.
Graf Bezos
Wir starrten uns an. Sogar Miray, die sonst immer einen Kommentar auf Lager hatte, stand für einen Moment der Mund weit offen.
„Wie kann das sein?“, fragte ich schließlich. „Wir haben den Fall erst vor wenigen Minuten gelöst! Wie konnte der Graf davon erfahren, den Brief auf dein Bett legen und dann von hier verschwinden, ohne uns auf der Treppe zu begegnen?“
Miray zuckte mit ihren Schultern und deutete auf ihr Handgelenk. „Wir können aufwachen, also belassen wir es doch einfach dabei.“
Sie lächelte, machte einen Schritt auf mich zu und warf ihre Arme um meine Schultern. Ihre eisblauen Augen blickten tief in meine.
„Sag mal, Dian, hast du das ernst gemeint, als du sagtest, ich wäre die Frau deiner Träume?“
Ich nickte verlegen.
„Dann gib mir deine Handynummer. Ich rufe dich an, sobald ich aufgewacht bin.“
Mit einem zufriedenen Grinsen gab ich ihr meine Nummer. Mehrmals murmelte sie leise die Zahlenfolge vor sich hin, bis sie schließlich nickte.
„Bist du bereit?“, fragte sie mich.
Ich legte meine Hand auf mein Tattoo. Dann warf ich einen kurzen, verstohlenen Blick auf das Bett. „Letzte Chance?“
Sie grinste mich süffisant an. „Kaum wandert deine Freundin hinter Gitter, bin ich an der Reihe? Du tröstest dich schnell, Dian. Zu schnell.“
Bevor ich etwas erwidern konnte, zwinkerte sie mir kurz zu und legte ihre Hand auf ihr Tattoo. Wie ein schwarzer Mantel legte sich das endlose Nichts um mich und stahl mir das Bewusstsein.
Der Knall einer Fehlzündung schreckte mich hoch. Schweißgebadet lag ich in meinem Bett in dem viel zu warmen Zimmer. Ich stand auf, ging träge zum offenen Fenster und blickte auf die Straße. Ein altes Moped entfernte sich mit laut knatterndem Motor.
Ich sah auf mein Handy. Es war halb vier und – was noch wichtiger war – ich hatte keinen Anruf verpasst. „Wie soll ich bloß wieder einschlafen?“, stöhnte ich leise und warf mich auf mein Bett.
Die ganze Nacht wälzte ich mich unruhig auf der Matratze hin und her. Es war jedoch nicht die Hitze, die mich wach hielt. Es war die Sorge, dass ich einschlafen und ihren Anruf versäumen würde.
Doch der Anruf kam nicht.
Den ganzen Vormittag ließ ich mein Handy nicht aus den Augen. Vielleicht lebte sie ja in einer anderen Zeitzone und würde erst einige Stunden später aufwachen, versuchte ich mich selbst zu beruhigen.
Als es Abend wurde, akzeptierte ich, dass sie nicht mehr anrufen würde. Ich ärgerte mich über mich selbst, nicht auch nach ihrer Nummer gefragt zu haben. Das hätte unsere Chancen verdoppelt, falls sich einer von uns die Nummer falsch gemerkt hätte. Sollte sich eine nächste Gelegenheit ergeben, nahm ich mir vor, würde ich das nachholen.